Vortrag Heinz Bude « Gesellschaft der Angst » am 27. Oktober im Goethe Institut Tokyo / Japan. —


Angst bezeichnet die Seelenwirklichkeit von Gesellschaften im Umbruch. Sie gehört zur inneren Verfassung der globalen Mittelklasse, die etwas im Leben vorhat und die etwas zu verlieren hat. Diese Mitte schwächelt in den Ländern der OECD-Welt, die nach einer langen Periode der sozialen Öffnung durch Bildungsexspansion und Berufsdifferenzierung in eine Periode der sozialen Schließung durch Bildungsprotektionismus und Job-Polarisierung eingetreten sind. Sie wächst dagegen in den Schwellenländern, die mit Macht und Energie in der Weltwirtschaft mitspielen und offeriert für neue Statussucher der Weltgesellschaft soziale Positionen, die ein Leben von Bedeutung versprechen. Angst ist für die sich schließende wie für die sich öffnende Mitte ein existentielles Thema, das die „Wirklichkeit der Freiheit als Möglichkeit vor der Möglichkeit” (Kierkegaard) erfasst.
Aber auch die neuen plebejischen Massen, die auf den Weltmarkt streben, sind von Angst beherrscht: nämlich von der Angst, sich im Alltagskampf nicht durchsetzen zu können und weggeboxt zu werden. Wie sehr die Angst ein Thema unserer Zeit ist, zeigen die Populismen, die weltweit das politische Feld aufmischen.